7
Jun
2010

Die Hochzeit

So Hochzeiten koennen ganz schoen anstrengend sein, wenn die Mutter vorher einen zurecht machen will und man seinen eigenen Kopf hat. Naja ansonsten hatte sich meine Mutter geschminkt, was sie sonst nie tut. Ihre gute alte Schulfreundin zog sich besonders gut an. Dann fuhren wir zu dieser kleinen Kirche am See. Wir waren schon etwas zu spaet. Meine Mutter und ihre Freundin waren super nervoes. Ich war recht locker, nicht so gespannt. Gegen 15:30 kamen wir an. Die Kirche war halbvoll. Ein katholischer Priester sprach salbungsvolle Worte auf das kuenftige Paar. Leider verstehe ich nicht viel, aber meine Mutter meinte, dass da viel bla bla war. Es wurde gesungen. Einmal kurz hoerte man so eine Krankenhaussirene an der Strasse. Marcin drehte sich um, als er vorne vor dem Traualtar stand. Irgendwie wie er guckte, dass war so koestlich. Ich musste kurz lachen. Je aelter er wird, so aehnlicher wird er dem alten amerikanischen Serienstar Kojak. Kennt den noch jemand? Marcin hatte sich eine Glatze rasiert, da ihm eh die Haelfte der Haare fehlte. Und irgendwie passt das auch gut zu ihm.
Dann wurden die Ringe getauscht. Andaechtige Stille. Die Braut ist eine Blondine. Sie wirkte gespannter, als M. Er laechelte ab und an. Spaeter gingen sie in einer Prozession raus. Mir fiel bei der kirchlichen Trauung auf, dass mich dieser Glaube gar net mehr wirklich juckt. Ich mache keine katholischen Kreuze mehr, ich halte all diesen Schnickischnack fuer ueberfluessig wie das Mittelalter, woher es kommt. Aber wie in einem Film schaut man sich gerne so historische Dinge an, die aus einer Zeit kommen, wo man glaubte, dass Maria eine Jungfrau war. Die Braut war im vierten Monat, naja eigentlich darf man vor der Ehe nicht...Irgendwie ist nach meiner Auffassung die katholische Kirchenlehre nicht lebbar, weil sie den Menschen nicht als sexuelles Wesen begreift. Die Missbrauchsfaelle in der Kirche haben dies deutlich gezeigt.
Dann spazierte das Brautpaar raus. Kleine Geldmuenzen und Reiskoerner wurden geworfen, als Zeichen fuer Glueck. Das Brautpaar hob das Geld auf. Es wurde gelaechelt. Es wurde viel gefilmt und fotografiert. Die perfekte Hochzeit will dokumentiert werden. Unser Leben ist heute ein Youtube-Video, wo jedes Rauespern aufgenommen wird. Die eigenen Erinnerungen treten in den Hintergrund, sie werden durch die digitalen ersetzt.
Dann wurden gute Wuensche und Geld an das Brautpaar ueberreicht. So eine Hochzeit ist teuer und sehr schoen, wenns gut gemacht wird. Und diese Hochzeit wurde schoen, denn die Polen wissen wie man feiert.
Vor der Kirche wurden noch viele Bussis gegeben und man unterhielt sich. Es war schon spaeter Nachmittag, als wir in das Restaurant am See gingen. Es gab soviele Essensgaenge und Getraenke, dass einen ganz schwindelig werden konnte. Wenn die Polen feiern, dann herrscht ein Ueberfluss an Essen. Rote Beete Suppe gabs, Obst, Gulaschsuppe, Salate, Brote mit belegten und natuerlich Wodka. Der polnische Wodka schmeckt besser, als der deutsche Fusel.
Auf der rechten Seite waren die Tische der aelteren Herrschaften wie die Eltern des Braeutigams und der Braut. Ich war auf der Seite, wo die juengeren Leute waren. Holla, es waren so viele schoene Frauen dort, da geht das Herz auf. Und vorallem die polnischen Damen verstehen es sich zu kleiden, alles passt und keine hatte zuviel Schminke oder sowas. Die Schminke war eher dezent angebracht und betonte z. B. die schoenen Augen. Schnell wurde man angequatscht und man wurde gefragt, woher man kommt und was man so macht. Wie ich gesagt habe, spreche ich eher wenig polnisch. Aber viele junge Leute sprechen Englisch oder Deutsch und da ist Small-Talk kein Problem. Fuer philosophische Gespraeche reicht mein Englisch nicht aus, aber bei einer Hochzeitsfeier ist das eh egal.
Es wurde viel geprostet, gesungen und gegessen. Ein Hobbysaenger sang polnische Schnulzen. Dann tanzte man. Fast alle Polen sind gute Taenzer, da dies den Kleinen schon in der Schule vermittelt wird. Leider gibt es in Deutschland keine Tanzkultur, was sich auch an meine seekuhartigen Tanzschritte bemerkbar machte. Andere waren da viel filigraner und leichter.
Immer wieder wurde Stolat angestimmt und es wurde das Refrain angestimmt "Hundert Jahre sollt ihr leben!" Was mich immer so fasziniert wie die Polen diese Lieder mit Leben fuellen und aus dem Herzen singen. Die Stimmung kocht langsam hoch. Der Siedepunkt wird wie ein guter Orgasmus hinausgezoegert.
Immer wieder fordert man in Gesaengen dazu auf, dass das Ehepaar sich kuesst. Die schwangere Braut tat dies, auch wenn man merkte wie sie alles angestrengte. Auch tanzen taten sie. Und in einem Kreis umtanzten die Hochzeitsgaeste die beiden. Diese Heiterkeit und Leichtigkeit liebe ich, da ich leider dieses Deutsche verkopfte habe. Ich denke pausenlos nach und kann nicht einfach loslassen und das Leben geniessen. Die ganze Zeit dachte ich wie bescheuert ich tanze und das alle ueber mich lachen werden, dabei waren diese Stimmen aus meiner depressiven Hoelle aufgetaucht, um mir die Lebenslust zu nehmen.
In Wirklichkeit mochten mich alle. Ich war ja auch wie ein Honigkuchen am grinsen, als haette ich Hochzeit. Flirten tat ich mit einer huebschen jungen Kellnerin. Und manchmal konnte ich sogar dieses verkopfte abschalten und einfach leben. Sogar tanzen tat ich.
Der Hoehepunkt bildete, als Marcin und die Braut sich fuer dei gute Erziehung bedankten. Anka hatte einen Sonnenbrille auf der Nase. Die Sonne am See war schon untergegangen. Sie hatte Traenen in den Augen, dass sie danbar sei, dass sie so einen wundervollen Sohn von ihrem Ex-Mann haette. Obwohl ich nichts verstand, da mein polnisch grottenschlecht ist, konnte ich ihre Worte verstehen und erahnte, was sie sagte. Denn das Herz spricht Esperanto.
Der Ex-Mann war auch eingeladen, er ist wie mein Vater der geborene Egoist und betrog die Mutter des Hochzeitsohnes, als sie um ihre verstorbene Tochter trauerte. Er bezahlte auch ungern Alimente und ist dank seines Egos reich geworden. Mein Vater hat sein Ego nicht zu grossen Wohlstand gebracht, denn er war ja nur Kellner zeitlebens.
Ich haette meinen Vater nie zu meiner Hochzeit eingeladen, ausser er wuerde sein Verhalten mir gegenueber veraendern und mich nicht so respektlos behandeln. Und ich wuerde ihm auch nichts beweisen wollen, so wie vielleicht Marcin, denn so lange man was beweisen will, so lange ist man ein Gefangener seiner Vergangenheit. Meinen Selbstwert beziehe ich aus mir selbst und nicht weil mein Vater mich kroent, weil ich ja so eine bezaubernde Hochzeit hingelegt habe.
Spaeter wurde noch so eine weitere Tradition durchgefuehrt. Alle weiblichen wie maennlichen Junggesellen stellten sich auf. Das Brautpaar sass den Junggesellen zum Ruecken. Dann wurde eine Fliege und ein Brautkopfschmuck geworfen. Was ich nicht wusste, dass ich die Fliege auffangen sollte, da dies fuer die Maenner war. Ich fing das fuer die Frauen auf. Alle lachten. Nach der Tradition soll derjenige der die Fliege auffaengt oder diesen Brautkopfschmuck heiraten. Ob ich jetzt heiraten werde, obwohl ich das falsche aufgefangen habe?
Es wurde weitergetanzt, getrunken und gegessen. Ich unterhielt mich mit vielen. Eine huebsche Polin wollte mich weiter zum trinken animieren. Wir lachten. Ich war richtig beschwipst. Gegen 0 Uhr gingen die Eheleute. Ich tanzte noch mit zwei Polinnen, die mich zum tanzen animierten. Genau in die Mitte nahmen sie mich, ich war eigentlich total unsicher und kam mir wie eine Seekuh auf der Tanzflaeche vor. Aber nach und nach nahmen sie mir die Nervositaet und es machte immer mehr Spass. Ich will unbedingt neben polnisch, auch tanzen lernen. Dann wird das Frauen kennenlernen wie von selbst funktionieren.
Dann veraschiedete ich mich von allen Partygaesten. Viele wollten das ich bleibe. Und dann fuhr ich mit meiner Mutter und ihrer Schulfreundin nach Hause zu meiner Grossmutter.
Ich schlief wie ein Stein ein. Ich war so gluecklich.


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Lebe glücklich! Ein Blog über das Leben mit Depressionen und Internetsucht. Ein junger Mann (38) schreibt über seine Erfahrungen mit Vorurteilen und Einsamkeit. Rechte bei Deprifrei.de

Die Depression kann mit einer in schwarz gekleideten Dame verglichen werden. Wenn sie kommt, so weise sie nicht weg, sondern bitte sie zu Tisch als Gast und höre, was sie Dir zu sagen hat. C.G. Jung Mehr Informationen zu meinem Blog www.depri-blog.de.tl

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